Die drei hier nebeneinander montierten Collagen sind im Abstand von Monaten entstanden (2017-18). Eine Werkgeschichte verbindet sie, wie sich - vormals - Familienmitglieder in Alben zusammenfanden, deren Herkunft und Lebensweg zunächst nicht offensichtlich ist. Familienähnlichkeiten, sozusagen. Die Genese, der Werdegang, hat allen drei teils verwandte, teils identische Materialien mitgegeben, zum Schaumstoff das Papier, Elemente von Fotokopien, Klebeband, sparsamer oder freigiebiger Tusche, das ganze montiert jeweils auf Styrodur, oder schliesslich beim dritten, zur Modellierung ergänzt mit einer Portion Gips.
Geschwister mit Namen: "Vaping Smile" ist der Titel des linken, das mittlere trägt den deutschen Titel, "Ausgang", das rechte muss keinen haben, wird aber als "Fenster" deklariert. Aber ob es wirklich drei Schwestern sind? Man wusste - vormals - wie unähnlich selbst Geschwister sein können. Und wir typisieren doch so gerne...
Aus der Nähe zeigen die Collagen, wie fein sie gearbeitet sind: ruhige Kanten, unaufgeregte Schnitte, die Farb- bzw. Tuscheaufträge mit gemässigten Bewegungen ausgeführt: die Künstlerin lässt den Pinsel wandern, sie lenkt, zwingt aber nicht. Die Papiere wirken grosszügig gewählt. Erst die Betrachtung aus nächster Nähe offenbart z.B., dass die vermeintlichen Bleistiftstriche im unteren Drittel von "Ausgang" in Wahrheit Schnitte sind: das Papier wurde sorgfältig mit dem Messer zerlegt und die abgetrennten Teile sind nahezu bündig wieder angesetzt; aber eben nur fast. An anderer Stelle übernimmt ein rosa Klebeband die Funktion eines exakten, dünnen Farbauftrags: lasierend und damit durchscheinend bleibend, akzentuiert es die Ebene, mit der es sich verbindet.
Nicht nur die Titel spielen auf Einblicke, Durchblicke an, es ist das Format in Kabinettfassung, das etwas im Kleinen, in einem Mikrokosmos zu inszenieren scheint, wohin man eingeladen wird. Mit Schaumstoffstreifen werden die Grenzflächen besetzt. Das Material ist 'fremd' und Bild zugleich, es will irgendwo hin, aber es kommt auch wo her. Man will an Arte Povera denken, Rauschenberg mag beim einen oder der anderen um die Ecke schauen, hier aber wird das Material der Massenverpackungen und Schulterpolster energievoll eingesetzt und schliesst den inneren Bildraum an einen imaginativen Erlebnisraum an: Der Stoff aus dem die Schäume sind - das Wortspiel taugt dann, wenn man das Material selbst weiterdenken lässt, ausbuchstabiert mit den angrenzenden Werkstoffen. Wie dem Gips: hart, weiss, definitiv, sobald er erstarrt. Scheint so. Hier ist es anders, wird doch die Kompaktheit des Gipses formativ ins Gegenteil verkehrt: wir überraschen das Harte inmitten einer Schwingung, der Gips wölbt sich uns nicht konvex entgegen, sondern sinkt konkav hinein in den umgebenden Schaumstoff, der die räumliche Suggestion durch eine Stufe noch unterstreicht. Beinah meint man noch die Wärme zu spüren, die Gips beim Abbinden erzeugt. Die Einklebung in der mit Tusche lavierten Senke kann man, muss man nicht als Fenster lesen. Man kann sie auch als Traum verstehen: Das Harte entspannt sich im Weichen und indem es von seiner Konstitution ablässt, stellt sich von selbst der Traum ein.
Umgekehrt erarbeitet sich das Weiche am Harten seine Konturen: die Unendlichkeit blosser Formbarkeit nimmt eine konkrete Gestalt an, ein potentiell immer weiter skalierbarer Farbverlauf wird festgelegt, Hell und Dunkel spannen Pole auf und legen Positionen fest. Der beliebige Kreislauf wird unterbrochen durch die Definitionen des Bildes.
Die Entsprechung zum Dialog der Materialien bildet das Wechselspiel der Tonwerte. Im "Ausgang" liefern Fotokopien, übereinandergeklebt, sowie angesetzte Farbstreifen (schwarz) die Bühne für eine grosse, als Vordergrund montierte Fläche. Auch diese, schlichtes Papier, ist aber nicht einfarbig, sondern von grauen Schleiern unterschiedlicher Tönung leicht schattiert. Lässt man das Auge lange genug auf ihnen verweilen, verliert man sich wie im Nebel, wenn man scheinbare Helligkeitsunterschiede als Anhaltspunkt für ein gesuchtes Ziel nutzen will. Und es kommt bei dieser Arbeit noch ein Drittes hinzu: an die Bildplatte ist unten ein dreieckiger, von unten nach oben verlaufender Schaumstoffkeil so angesetzt, dass man mit dem Auge gewissermassen einen Schritt "nach oben" geht, als habe man gleichsam einen kleinen Sprung zu tun, bevor man dieses weite Feld von einer anderen Sehachse aus erkundet.