Nicole Wendel: bebop

Nicole Wendel: bebop | Installationsansicht Galerie1214
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Nicole Wendel: bebop

Nicole Wendel entwickelt als Künstlerin und Zeichnerin ihr Werk immer konsequenter als Forschung über den wahrnehmenden und aktiven Körper im Raum. Die zweidimensionale Zeichnung und die Performance sind für Wendel zu zwei komplementären Instrumenten ihrer künstlerischen Arbeit geworden.

Der Kurator und Kunstkritiker Ludwig Seyfarth schreibt über die aktuelle zeichnerische Arbeit von Nicole Wendel:

"Die großformatigen Core-Drawings von Nicole Wendel suggerieren einen Raum von unbestimmter Tiefe, in dem sich eine luftige Substanz auszubreiten scheint. Es entsteht fast der Eindruck, als ob das Bild atmen würde. Die Analogie zur menschlichen Atmung ist nicht zufällig, denn das gesamte zeichnerische Werk der Künstlerin steht in engem Bezug zu körperlichen Vorgängen und Handlungen, die sie auch als Performerin meist zusammen mit anderen Partnerinnen ausführt.  
So sehen wir auf den Zeichnungen spontane Abdrücke des Körpers – deutlich erkennbar etwa sind Spuren von Füßen – , wie sie auch als unmittelbare Resultate von Performances entstehen. Daneben stehen sorgfältig gesetzte einzelne, oft parallel geführte Strichlagen, entweder präzise wie am Lineal gezogen oder gestisch gesetzt und manchmal so fein, dass sie an Einritzungen in eine Radierplatte erinnern. Es gibt auch linear abgegrenzte Bereiche, deren diffuser Hintergrund sich in der Helligkeit oder Textur von der Umgebung unterscheidet, so dass der Eindruck übereinander gelegter transparenter Folien entsteht. Die evozierte Räumlichkeit erinnert auch an die Ausbreitung von Klängen, und die Assoziation zum Musikalischen entsteht durch einzelne zeichnerische Elemente, die Notationen einer grafischen Partitur ähneln.
Horizontal geführte gerade Linien geben der Komposition einen gleichsam architektonischen Halt. Hier besteht wieder ein direkter Bezug zum menschlichen Körper, den Nicole Wendel als eine architektonische Struktur sieht, die sie mit künstlerischen Mitteln gleichsam freizulegen sucht. Dies steht in der Tradition der somatischen Körperarbeit Susan Kleins, die jeden Körper in seiner natürlichen (architektonischen) Struktur begreift, aus der wiederum eine individuelle sequentielle Ordnung der Bewegungen resultiert. Zu den Schülern von Susan Klein gehörten unter anderem die bekannten Choreographinnen Trisha Brown und Sasha Waltz.
So besteht der Bezug zum Performativen nicht nur in den spontanen Abdrücken, sondern auch in den minutiös austarierten, teils sehr fein gezeichneten Elementen. Alles steht in Bezug zur körperlichen Geste, die wie die Bewegungen beim Tanz sehr schnell, die physische Energie gleichsam aus sich herausschleudernd, aber auch oder sehr langsam und fast meditativ ausgeführt werden können.
Das Gestische, das in der ungegenständlichen Malerei eine große Rolle spielt, wird von Nicole Wendel im Medium der Zeichnung konsequent ausgelotet und dabei mit Elementen der konstruktiven Abstraktion kombiniert. In den kleineren Zeichnungen sind die verschiedenen Elemente, die sich auf den großen Blättern zu komplexen Strukturen ineinander verweben, gleichsam isoliert vorgeführt. Parallel nebeneinander liegende oder kreisende Strichlagen befinden sich neben geometrischen Figuren und gewischten Partien. Durch die verschiedenen Richtungen und dynamischen Beziehungen der Elemente sucht die Künstlerin einen kinetischen Raum zeichnerisch zu erfassen.
Sowohl in den kleineren als auch in den großformatigen Blättern wird der herkömmliche Gegensatz zwischen Oberfläche und Tiefe konsequent unterlaufen. Alles spielt sich insofern an der Oberfläche des Bildes ab, als sich diese auf komplexe Weise auflädt und Schauplatz im wahrsten Sinne vielschichtiger Vorgänge ist und dabei gleichzeitig zu einem imaginären Raum wird, zu einer Art Resonanzraum, in den die Künstlerin hineinlauscht, wie auch in ihren eigenen Körper, den sie auf und in das Bild gleichsam überträgt."

© Ludwig Seyfarth 2018

Zur Eröffnung der Ausstellung am 1. Februar in der Galerie1214 (Berlin) choreographiert die Künstlerin eine Live Performance (Aufführung 19:30 bis ca. 20:15 Uhr) mit den Tänzerinnen und Tänzern Johanna Ackva, Johanna Faber, Even Foster und Michael Ludwig.